In Evinghausen konkurriert die wöchentliche Sitzung unserer Schülerfirma Jamii leider immer mit den Schulstreiks von Fridays For Future – ein Umstand, den ich sehr bedauere. Da wir als Schule auf dem Land, von den wenigen Schulbussen abhängen, die zwei Mal täglich unsere SchülerInnen wieder auf teilweise weiten Wegen nach Hause bringen, können wir an unseren Sitzungszeiten nichts ändern. Heißt das, dass unsere Jamiis sich nun nicht für das Klima engagieren können? Ganz gewiss nicht – im Gegenteil behaupte ich, dass die Mitarbeit in einer Nyendo-Schülerfirma aktiver und zukunftsweisender Klimaschutz ist. Social Entrepreneurship, basierend auf einer „Freundschaftsökonomie“, ist die Keimzelle zu einer sozial und ökologisch verträglichen Wirtschaftsweise – durchaus auch ganz im Sinne der sozialen Dreigliederung Rudolf Steiners. Zur Begründung möchte ich mich auf Prof. Dr. Günter Faltin berufen (wer mehr erfahren möchte, sei auf sein hervorragendes Buch „David gegen Goliath“ verwiesen). In einer Rundmail zur Ankündigung seines Entrepreneurship-Summits im Oktober 2019 in Berlin heißt es:
„Obwohl wir eigentlich alles haben, kaufen und konsumieren wir immer weiter. Geschicktes Marketing großer Unternehmen weckt nicht nur Bedürfnisse, sondern erzeugt diese erst.
Diese Entwicklung gefährdet das Überleben der Menschheit!
Die gute Nachricht: Der Mangel ist beseitigt. Ein Menschheitstraum ging in Erfüllung. An historischen Maßstäben gemessen leben wir in einer Überflussgesellschaft.
Die schlechte Nachricht: Wir spüren wenig davon. Wo der Mangel beseitigt ist, wird er künstlich erzeugt. Wir fahren in die falsche Richtung. Unser steigendes Konsum-Niveau ist dabei Vorbild für die bevölkerungsreichen Länder der Erde, die erst am Beginn einer solchen Konsum-Kultur stehen. Die Einsicht wächst, dass wir diesen Prozess aufhalten müssen. Wir leben in einer Welt, in der die Goliaths der Märkte eine Ökonomie betreiben, die das Überleben der Menschheit gefährdet, nur um ihre eigene Existenz zu sichern.
Wie konnte es dazu kommen? Heute ist die Produktion von Waren nicht mehr der Engpass. Der Verkauf ist es. Um Umsätze und Gewinne zu steigern, wird eine riesige Verkaufsmaschinerie hochgefahren. Mit wissenschaftlicher Akribie werden wir ausgeleuchtet, werden immer neue Bedürfnisse herausgekitzelt. Es sind die Wachstumsstrategien, die unsere gesellschaftliche Entwicklung bestimmen. Die Dynamik dieses Prozesses schiebt Politik, Bildung und kritische Stimmen zunehmend zur Seite […]
Beim Entrepreneurship Summit zeigen wir, wie jeder für ökologische und soziale Werte in der Gesellschaft sorgen, ein neues Bewusstsein des Wirtschaftens entwickeln und gleichzeitig einen gesellschaftlichen wie individuellen Mehrwert schaffen kann. Unsere Referenten zeigen, wie wir aus der Sackgasse herauskommen und diese Aufgaben ganz praktisch, realistisch und – in vielen Ansätzen heute schon erkennbar – angehen können.“
Durch die Mitarbeit in einer unserer Schülerfirmen können engagierte SchülerInnen in einem realen Handlungsrahmen Verantwortung übernehmen und sich als Sozialunternehmer erproben. Außerschulisches Lernen und Handlungspädagogik – diese Schlagworte sind häufig zu hören, wenn es darum geht, SchülerInnen Möglichkeiten zu eröffnen, nicht nur kognitiv für die Schule zu lernen oder in der virtuellen Welt zu leben, sondern in Kontakt mit der Realität etwas über die Welt und über ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten darin, also über ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren. Bei den SchülerInnen heutzutage besteht ein großer Bedarf nach geeigneten Handlungsfeldern, sie wollen etwas bewirken – man denke bloß an Fridays for Future! In einer globalisierten Welt sind wirtschaftliche Fragen entscheidend für die Zukunft der Menschheit. Nyendo bietet jungen Menschen, denen das intuitiv klar ist, die Möglichkeiten, die dafür notwendigen Fähigkeiten zu schulen.
Trotzdem ist es natürlich schade, dass sich die SchülerInnen in Evinghausen zwischen einem Engagement bei Fridays For Future und unserer Schülerfirma Jamii entscheiden müssen. Aber obige Einsichten stellen diese Entscheidung hoffentlich in einen weniger drastischen Bezugsrahmen.
Text von Dr. Alexander Piecha