Zwischenbericht aus Nairobi, August 2020

Liebe Nyendo Gemeinschaft,

der Tsunami des globalen Wandels hat uns mit dem Lockdown Mitte März unsanft erwischt und mich mit Tochter und Enkelkind noch rechtzeitig nach Nairobi „gespült“. Privat geht dadurch unerwartet ein Traum in Erfüllung: Unser zweites Zuhause vor den Türen Nairobis, die Osekifarm, erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf und zeigt nach und nach ihr wahres Potenzial: eine Community-Farm, ein Permakultur- Schulungs-„Ressort“! 😉

Für unsere langjährigen Freunde und Partner im Kangemi- und Kawangwareslum zeigt sich der „Tsunami“ anders – als Zerstörung von allem Errungenen, allen Lebensgrundlagen. Wer konnte, ging zur Familie aufs Land – es gab guten Regen dieses Jahr und die Ernte ist ausreichend, die anderen harren aus. Alle sehen mit Schrecken der Zukunft entgegen. Tausende von privaten Schulen haben bereits ihren Betrieb aufgeben müssen, weil sie die Miete nicht zahlen konnten. Im Januar soll, so der Präsident, das Schuljahr von allen wiederholt werden! Großes Staunen in den Gesichtern! Die Eltern werden meutern, heißt es. Und wohin mit den Kindern, wenn es keine privaten Schulen mehr gibt und der Staat bisher für 80.000 Kinder nur 6 Schulen bieten kann?

Im Angesicht dieser Totalkatastrophe gilt es ruhig zu bleiben. Wenn alles zusammenbricht, brauchen wir vor allem Klarheit, Mut und konkrete Ideen, konkrete Schritte. Daran arbeite ich hier vor Ort gemeinsam mit einem vierköpfigen Kernteam aus dem Kreis der Partner. Wir trafen uns über 2 Monate hinweg 2 Tage die Woche bei mir auf der Farm und brüteten über Wege, um das soziale Unternehmertum im Slum anzukurbeln. Der Neuaufbau kann nur von den Menschen selbst kommen, wenn nichts mehr von dem Alten und Gewohnten greift. Eine Katastrophe ist immer aber auch eine Chance. Und die „Leere“ dazwischen will ausgehalten werden.

Es geht um „Ownership“, um Eigenverantwortung,
um das Umlegen des inneren Schalters auf Hoffnung!

Michael Stenger, Ashoka Fellow und mehrfacher Preisgewinner gelang es als Leiter der Schlauschule in München, dass 90% der minderjährigen Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse in 2 Jahren einen Hauptschulabschluss erzielten. „Wenn der innere Schalter von Hoffnungslosigkeit auf Hoffnung umgelegt wird, dann sind diese Kinder nicht mehr zu bremsen und legen ungeahnte Kräfte frei“, erklärte Stenger mir einmal sinngemäß.

Voraussetzung für nachhaltige Projekte und Strukturen sind: Erfolgserlebnisse aus eigener Kraft, gemeinsam mit anderen! Sich-selbst-vertrauen, Verantwortung, Einsatz und Miteinander ist der Cocktail, der Erfolg und Nachhaltigkeit verspricht.

Nach Prof. Hüthers lernen Kinder am besten, wenn man sie einlädt, inspiriert und ermutigt. Gilt das nicht auch für uns Erwachsene? Über die letzten Monate habe ich verschiedene tatkräftige Persönlichkeiten mit Impulsen und Visionen miteinander vernetzt, hier in Kenia und international, online sowie offline. Manche von ihnen sind schon vertraut, andere neu.

Nyendo-Aktivitäten in Nairobi seit dem Lockdown Mitte März 2020

Akutunterstützung/Finanzierung durch Nyendo

  1. Wir konnten im April allen 150 Lehrern der 12 Partner-Slumschulen ein halbes Gehalt und im Mai ein ganzes Gehalt ausbezahlen.
  2. Simiyu, Headmaster der Kangemi Youth School, und seine 6-köpfige Familie konnte durch unsere Unterstützung Räumlichkeiten auf dem Schulgrundstück der Kangemi Youth School zu ihrem mietfreien neuen Zuhause umbauen und umziehen.
  3. Ebenso wurde Veronicah Nduku, Schulleiterin der Love School, mit 3 Monatsmieten unterstützt.
  4. Für Felistas Kiamba und Tonny Karori (Mitarbeiter im Nyendo-Office) wurden 2 Laptops gekauft.
  5. Tonnys Idee eines Mobile Farming Pojektes haben wir in der Pilotphase mit 400,00 € finanziert.
  6. Die 8-wöchige Konzeptphase für INUKA SASA 2.0 (= Suaheli: „get up“, „rise now“) wurde von uns durch einen Lebenskostenbeitrag und die Übernahme der Transport- und Verpflegungskosten für die 4 Beteiligten ermöglicht.
Love_School

Internationales Vernetzen, Austausch und Ideenentwicklung

Der für Ostern 2020 geplante Inuka Sasa Entrepreneurship Summit konnte nicht stattfinden. Dafür trafen wir uns online mit einzelnen der erwarteten FreundInnen aus aller Welt, ProfessorInnen und SozialunternehmerInnen, unseren Jugendlichen und dem Nyendo-Team. Konkret folgte daraus:

  1. Ein „think design“ Webinar über 8 Seminare mit Prof Esin Bozayzi und dem Solar Learning Team Michel Sinn und Floriane Abadi als Vorbereitung für ein „Sustainable Energy Project“ in Kenia, https://solar-learning.org . Esin ist Gründerin und Initiatorin von COP https://www.crossover-projects.com/about und Beirätin von Nyendo.
  2. Die Konzeptentwicklung für eine registrierte NGO, Inka Sasa 2.0, als souveräne Partnerorganisation, die unsere Partner-Slumschulen durch Projekte mit „sozial-initiativen“ Lehrern, Eltern und Community-Mitgliedern unterstützt.
  3. Die Vorbereitung für das erste konkrete Projekt: NairoBits an der Kangemi Youth School. Auf ihrer Webseite https://nairobits.com steht, dass sie seit 1999 als gemeinnützige Organisation 6.000 junge Menschen in 6 Schulen in verschiedenen Slums in IT so erfolgreich geschult haben, dass 90% von den Absolventen Arbeit gefunden haben.
  4. Mobiles oder Urbanes Farming
    Projektvorlauf an der Oseki Farm mit Garden Towers – siehe Fotos. Gespräche mit möglichen neuen Partnern und Besuch an der KYS und der Kanyorosha School als potenzielle Basisstation für Gärten im Slum für dieses Projekt.

Vernetzen und Einbinden möglicher neuer Projektpartner für nyendo in Kenia

Offen für eine Erweiterung unseres Nyendo-Partnernetzwerkes in Kenia bin ich mit einer Massai-Community über Geoffrey Nkoitiko Thjeu mit Salome Rutere und ihrem Landjugend- Entrepreneurship-Projekt und einem Constructionteam im Kibera-Slum über „Startsomewhere“ in Kontakt www.startsomewhere.eu.
Wenig ist noch sichtbar, alles noch offen, aber vieles innerlich in Bewegung.

Ich grüße herzlichst in den Norden,
Eure Irmgard