Auf dem Foto: Irmgard W. und Peter Halloway in Sekem 1

“It always seems impossible until it’s done”
Nelson Mandela

Liebe Freunde,

auf dem Hinflug mit Zwischenstopp in Kairo hatte ich am 15.12. einen unerwarteten 24-stündigen Aufenthalt durch Flugplanänderung der Airline und nutzte diese Gelegenheit, um einen Tag die SIF-Tagung – Social Initiative Forum – auf Sekem zu besuchen. Was für eine Fügung! Ein Marathon von Begegnungen mit „alten“ Bekannten aus der Waldorfszene folgte und mit Bart Eddy aus Detroit und dem SIF-Team aus Dornach konnte ich dadurch im Vorfeld des Summits in Nairobi Ostern 2020 wichtige Pläne schmieden und Entscheidungen treffen.

Einen Tag später in Kenia fuhr ich zeitgleich mit der CIFEFA-Coregroup, Tonny und Felistas morgens um 9 Uhr in Nairobi an der Osekifarm vor und unser erstes drei-stündiges Treffen fand buchstäblich zwischen unausgepackten Koffern statt: Ein stimmiges Bild für die vier intensiven Wochen, die folgten!

Die wichtigsten Themen fasse ich im Folgenden zusammen:

1. Auswertung der Zusammenarbeit mit den Partnerschulen 2019

Das halbe Dezembergehalt wurde noch an alle 130 LehrerInnen der 12 Schulen gleich ausgeschüttet – ein extra Betrag von 37.000 KSh wurde auf Wunsch der Partner in Kenia jedoch erstmalig am 4. Januar 2020 als Bonus an 5 Personen – davon 4 Schulleiter: Simiyu, Veronicah, Christine und Evelyne; und ein Mitarbeiter der Kangemi Youth School – wegen ihres besonderen Engagements und Einsatzes verteilt. Die Betroffenen waren zutiefst gerührt über diese Ehrung.

Dabei spielte die Auswertung eines Performance-Charts eine große Rolle, aus welchem hervorging, welche der Schulen/Schulleiter in welchem Bereich sich wie eingesetzt hatten. Die Bereiche waren u. a. das Ausfüllen und zeitige Abgeben der monatlichen „financial sheets“, die Anwesenheit und Pünktlichkeit bei Meetings, die Teilnahme an Projekten und Aktivitäten.

Rückblickend auf zwei Jahre Unterstützung aller LehrerInnen durch ein Grundgehalt in den vier gehaltsfreien Monaten ist zu sagen, dass alle wirklich sehr dankbar dafür sind, aber sich die Initiativkraft, das Engagement nicht wesentlich geändert hat. Wie Unternehmertum und Initiative gestärkt werden können, wird uns weiter beschäftigen.

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Die Boni-Gewinner

CIFEFA-Meeting

Das Verhalten der Partnerschulen ist sehr kontrovers. Einige sind sehr aktiv, andere eher relaxed und scheinen sich in ihrer empfangenden Rolle wohl zu fühlen. Sie bremsen das Entwicklungspotenzial des Netzwerkes. Hier stehen neue Entscheidungen an.

2. Krise vor Ort mit der kenianischen Regierung

Die Herausforderungen durch die vielen akuten Auflagen der Regierung sind bedrohlich. Das Ausmaß der Krise ist einmalig. Die Regierung hat bereits etliche Schulen geschlossen und droht, weitere zu schließen. Die Gebäude müssen solide sein, die Grundstücke eine gewisse Größe haben, die Lehrer ausgebildet oder in Ausbildung sein – der Nachweis kostet 2500 KSh pro Person! Man munkelt, dass die Stadt Nairobi bankrott ist und nach Wegen sucht, Gelder einzutreiben. Gerücht oder Wahrheit – ich kann es nicht beurteilen. Fakt ist, dass der Staat seine Verantwortung gegenüber den Kindern nicht erfüllt. Die Lage spitzt sich zu!

Wairu Kinyori-Gugu, Rechtsanwältin bei Oxfam, Waldorfmutter und Tochter unseres Rechnungsprüfers, bietet an, im Namen der Schulen und der Kinder vor Gericht zu gehen! Die ersten Gespräche darüber haben begonnen.

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Treffen der CIFEFA-LehrerInnen mit Frau Wairu

3. Nächste Schritte des Vorhabens: Lehrerhäuser an der KYS (Kangemi Youth School)?

Der geplante Lehrerhäuserbau an der KYS wird verschoben wegen der Unsicherheiten der Regierung, weil keine Gelder da sind und auch weil es besser und günstiger erscheint, mit der Community zu bauen. Simiyu möchte erst mal bis zum Summit das Vorhaben auf Eis legen.

Mit Carolina von Orkid, einer Gruppe von Architekten und Bauingenieuren in Nairobi hatten wir ein sehr erfreuliches Gespräch. Sie versucht, am Summit teilweise mit dabei zu sein und mit unseren Freunden im Gespräch zu bleiben.

Peter Halloway aus Süd-Afrika wird zum Pre-summit und Summit erwartet und hat viel Erfahrung damit, Communities in Bauvorhaben mit einzubinden. Wir sind gespannt, ob und was sich dadurch entwickeln wird.

4. Nyendo-Office-Nairobi: Rück- und Vorblick

Dadurch, dass der von Simiyu zur Verfügung gestellte Büroraum nicht renoviert und eingerichtet war, war Tonny die meiste Zeit „unterwegs“ bei den Schulen oder in der Community. Seine Arbeit könnte wesentlich effektiver sein, darum wurde beschlossen, den CIFEFA-Büroraum mit Hilfe der Nyendo-Gelder aus Prien zu renovieren und dann auch tatsächlich zu nutzen.

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Office-Renovierung

5. Neue Freunde / Partner vor Ort und international

Ibra Maina von der Kibera-Slumcommunity ist bereit, mit Tonny und Simiyu zusammen unsere Arbeit in Kangemi zu evaluieren und Projektschritte auszuarbeiten – es geht vor allem um Ownership und Sustainability! Hier hakt es bei uns doch sehr.

Die Rechtsanwältin Wairu Kinyori-Gugu bietet an, die Partner im Slum zu beraten und zu begleiten – wie ist noch zu besprechen.

Peter Halloway könnte ab diesem Jahr zweimal jährlich 4 Wochen in Kenia sein. Er bringt alle Erfahrung und Kompetenzen mit, die CIFEFA und die Community brauchen. Seine Schwerpunkte sind unternehmerisches Know-how und „spirit“, die Schulabgänger einbinden und einen „Construction-Makers-Space“ aufbauen, also alle Gebäude selber bauen.

6. Pläne für einen „Pre-summit“ vor Ostern 2020

Peter Halloway und Bart Eddy wollen 10 Tage vor dem Summit anreisen und mit der Community, dem CIFEFA-Team etc. die Wasseraufbereitung und weitere Makers-Space-Aktivitäten auch für Construction vorbereiten – evtl. für den Lehrerwohnungsbau.

Prof. Esin Bozyazi kommt mit einem Projekt für Solarenergie hinzu.

Tonny und das CIFEFA-Team haben einige Makers-Space-Ideen wie z. B. Dachziegelherstellung, Frauenbinden usw. Es gibt bereits die Schulmöbelherstellung, das Video-Lab, die Beadwork-Arbeit und ein klein wenig Landwirtschaft.

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Vertical Gardening

7. Weitere Nachrichten in Kürze

  • Josephine und Wanjala von der Sifa School haben am 10. Dezember ein Baby bekommen.
  • Pama School ist aus dem CIFEFA Netzwerk ausgestiegen.
  • Charles wird eine Art PR-Gruppe starten, um z. B monatlich kleine Beträge zum Monatsspiegel zu liefern, ihre Webseiten aktuell zu halten u. v. m.
  • CIFEFA soll im Laufe von 2020 einen eigenen rechtlichen Träger bekommen. Dies wird ihnen u. a. auch bei den Bedrohungen durch den Staat helfen.
  • Wir brauchen von allen Personen in Kenia, die in unseren Dokumentationen und Berichten abgebildet werden, eine Einwilligung dazu. Eine Einwilligungsvorlage soll in Bälde vor Ort unterschrieben werden.
  • Der ganztägige Workshop über GfK – gewaltfreie Kommunikation – am 7. Januar von meiner Freundin Rebekka Nopper wurde von den 14 anwesenden LehrerInnen sehr begrüßt.
  • Veronicah Nduku von der Loveschool muss von der Landeigentümerin eine schriftliche Mitteilung besorgen, aus der hervorgeht, was die rechtliche Situation und die Intention des Grundstückes ist. Die Dezembermiete kann schon überwiesen werden, aber bevor wir im Voraus Zahlungen leisten, brauchen wir diese schriftliche Info!
  • Evelyne von der Evmon School wird als möglicher nächster Gast in Deutschland in Erwägung gezogen. Als Ehefrau und Mutter sollte sie das Visa bekommen.
  • Evelyne wird bis Ostern mehr Verantwortung übernehmen, um eine würdige Vertreterin der CIFEFA-Schulen in Deutschland zu sein.

Ich schließe meinen stichwortartigen Reisebericht in dem Bewusstsein, vieles nur oberflächlich gestreift zu haben. Die wesentlichen Prozesse finden „zwischen den Zeilen“ statt und können kaum vermittelt werden.

Insgesamt kam für kenianische Verhältnisse einiges an Spannung und Reibung in den Treffen auf, als Deutsche würde ich die Prozesse jedoch als Potenzialentfaltung und Entwicklung durch konstruktive Auseinandersetzungen bezeichnen. Alte Gewohnheiten wollen angeschaut und losgelassen, Eigenverantwortung geübt werden.

Es fühlt sich für mich an wie das Spannen eines Bogens, der den Pfeil stark und sicher ins Ziel schießen kann. Es geht um Spannkraft, Initiative, Klarheit und Mut! Und es geht um Ent-Scheidung: führe ich eine Schule, weil es meine Aufgabe ist, für die Kinder da zu sein, oder weil ich daraus ein Einkommen erzielen möchte, die Schule also als Business betreibe. Das eine schließt keineswegs das andere aus, aber die Haltung ent-scheidet, ob und wer das allgemeine Wohl im Herzen trägt, im Auge hat und durch Taten in die Hand nimmt.

In diesem Sinne grüße ich herzlichst in die Runde und freue mich auf ein spannendes Jahr 2020 – es wird ein Jahr vieler Entscheidungen sein!

Eure
Irmgard Wutte